Es ist diese Jahreszeit in der in pädagogischen Einrichtungen gehäuft über Noten, Zeugnisse und eben die Wiederholung eines Schuljahres geredet wird. Aus diesem aktuellen Anlass möchte ich hier ein paar Worte über die Philosophie verlieren, die hinter Entscheidungen pro oder contra der Versetzung in die nächste Klasse stehen. Die Funktionen von Schule sind unter anderem Selektion und Integration. Bei der Entscheidung ob ein/e SchülerIn eine Klasse wiederholen soll treffen diese zwei Funktionen hin und wieder mit voller Wucht aufeinander.
Warum gibt es eigentlich Sitzenbleiben? Die Wiederholung einer Klasse hängt immer mit schlechten Noten zusammen. Der offensichtlichste Grund für das Sitzenbleiben ist aus der Lernperspektive daher der, dass ein/e SchülerIn die Unterrichtsinhalte des Jahres nicht verinnerlicht hat und deshalb alle Inhalte noch einmal lernen soll – plump gesagt bzw. geschrieben. Die Selektionsfunktion von Schule ist hier in Form von (Un-)durchlässigkeit nach oben zu spüren. Ein etwas differenzierterer Grund hängt mit der Entwicklung von SchülerInnen zusammen. So kann es zu der Situation kommen, dass ein/e SchülerIn entwicklungstechnisch nicht weit genug fortgeschritten ist um den Übergang in die nächste Klasse vertreten zu können. Das Sitzenbleiben hat in jedem Fall einen gewaltigen Einfluss auf das soziale Umfeld des/r betreffenden SchülerIn. Es kann demnach sein, dass die Wiederholung einer Klasse in Verbindung mit schlechten Noten angeordnet wird um dem/r SchülerIn einen frischen Start in einer neuen Klassengemeinschaft zu ermöglichen. Hier kommt der Integrationsfunktion von Schule eine große Bedeutung zu. Nicht zu hoffen, aber leider immer wieder Inhalt von Spekulationen rund um die Versetzung ist obendrein der Grund, dass Lehrpersonen versuchen SchülerInnen nach unten abzugeben, um sie im nächsten Jahr nicht mehr in der eigenen Klasse zu haben. Schauen wir nun etwas kritischer auf die oben genannten Argumente pro Sitzenbleiben. Hier sollte einem schon etwas schwindelig werden, wenn man liest, dass alle Inhalte eines Schuljahres ein zweites Mal gelernt werden sollen, damit sie wirklich verinnerlicht sind. Logisch und sinnvoll ist dies jedenfalls in keinem Fall, solange es als einziger Grund für oder gegen die Versetzung spricht. Selektion passiert nämlich schon allein durch die Notengebung und ist nicht allein abhängig vom Sitzenbleiben. Beispielsweise würde ein/e schlechte/r SchülerIn in Mathe durch schlechte Noten bereits darauf hingewiesen, dass ein Mathestudium nicht das richtige ist. Die Wiederholung einer Klasse wäre dementsprechend schon ein Overkill bzw. der berühmte Wink mit dem Laternenmast statt dem Zaunpfahl. Fraglich, ob Sitzenbleiben aus dieser Perspektive dem pädagogischen Gedanken gerecht werden kann. Der Entwicklungsstand eines/r SchülerIn spielt da schon eine weit größere Rolle. Hin und wieder gibt es Situationen in denen ein/e SchülerIn einfach mit der Klassengemeinschaft und dem Schulstoff überfordert ist, weil notwendige Entwicklungsprozesse noch nicht abgeschlossen sind. Allerdings ist auch hier immer noch Vorsicht geboten. Entwicklung erfolgt nicht geradlinig sondern viel mehr Wellenartig. So kann es sein, dass der/die eben noch spätentwickelte SchülerIn innerhalb des nächsten Jahres schon wieder auf dem Stand der Klassenkameraden oder gar weiter ist. Sollte es obendrein ein/e SchülerIn sein, die fest in die Klassengemeinschaft integriert ist würde eine verwehrte Versetzung und die damit verbundene Wiederholung einer Klasse diese sozialen Kontakte jäh zerstören. Ob der Integrationsfunktion von Schule damit genüge getan wäre wage ich zu bezweifeln. Leider, und das muss ich unterstreichen, da die Abstimmungen bei Notenkonferenzen mir bitterlich aufstoßen, habe ich hin und wieder doch dass Gefühl, dass an dem oben genannten Gerücht bzw. den Spekulationen rund um die Versetzung doch manchmal ein Funken Wahrheit ist. Ohne jemals einem einzelnen Kollegen irgend etwas unterstellen zu wollen muss ich trotzdem die Frage in den Raums stellen, ob es wirklich immer rein objektive Beweggründe sind, die den einzelnen dazu veranlassen seinen Arm zu heben wenn gegen die Versetzung eines/r SchülerIn gestimmt wird. Zum Unsinn des Sitzenbleibens gibt es mittlerweile einige deutliche Berichte, die sowohl die pädagogischen als auch die wirtschaftlichen Aspekte von Klassenwiederholungen abdecken: Durchfallen bringt nichts – Ein Bericht über die Wirkung des Sitzenbleibens Warum tun wir das unseren Kindern an – Ein Artikel zum Stressfaktor Selektion bei der Schulwahl und beim Sitzenbleiben Sitzenbleiben kostet… – Ein Artikel über die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Sitzenbleibens
Der Sinn des Sitzenbleibens
Der Unsinn des Sitzenbleibens
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